Zu diesem Thema wollte ich schon häufiger bloggen, habe aber nie den rechten Zugang gefunden. Auch jetzt finde ich das Thema so ärgerlich wie kompliziert, gibt es doch keine allgemeingültige Aussage. Aber dennoch widme ich mich jetzt mit diesem Beitrag dem Thema Frauen auf der Bühne.
Subjektive Wahrnehmung vs. harte Zahlen
Immer wieder werden mir Eventankündigungen in den Post- oder Briefkasten oder in meine diversen Timelines gespült, deren Programm vor allem durch eines bestechen: Eine Überzahl an männlichen Speakern. Dabei geht es nicht nur um rein technische Themen, bei denen man vermuten könnte, es gäbe keine adäquaten weiblichen Speaker. Auch bei Themen, bei denen nachweislich zahlreiche Expertinnen mit Bühnenerfahrung zu finden wären, sind männliche Experten auf den Bühnen häufig in Überzahl. Selbst in meinem Bereich, der Eventbranche, ist die stets geringere Zahl an weiblichen Speakern auf den Bühnen auffallend. Woran liegt das? Ist das nur eine subjektive Wahrnehmung? Gibt es Zahlen, die meinen Eindruck belegen?
Ja, die gibt es durchaus. Vielleicht nicht repräsentativ, aber sie geben ein starkes Stimmungsbild ab. Ein interessantes Portal namens „50Prozent“, das von der Rednerinnen-Plattform speakerinnen.org betrieben wird, gibt ein ernüchterndes Bild. Hier können Konferenzen eingetragen werden und die Anzahl an männlichen und weiblichen Speakern vermerkt werden. Bei den dort aufgeführten Konferenzen des letzten Jahres in Deutschland ergab sich folgendes Bild:
Diese Frage wäre also beantwortet: Es handelt sich demnach nicht um eine subjektive Wahrnehmung. Woran aber liegt es aber, dass Frauen nach wie vor derartig unterrepräsentiert sind auf den Bühnen diverser Konferenzen? Eine eindeutige Antwort dafür gibt es tatsächlich leider nicht. Es ist eher notwendig, sich aus verschiedenen Perspektiven den möglichen Gründen zu nähern.
Die Sicht der Veranstaltenden
Niemanden finden gilt nicht!
Ich selbst habe viele Jahre im Eventmanagement gearbeitet und dadurch zahlreiche Tagungen und Konferenzen mit geplant. Da ich in einem Unternehmen des Finanzbereichs gearbeitet habe, drehten sich die Veranstaltungsthemen in der Regel um Finanzfragen. Auch ich habe zugegebenermaßen zu meist männliche Speaker engagiert. Meine Motive dafür? Ich bin ganz offen: Auch ich habe eher geschaut, was macht die Konkurrenz? Welche Speaker sind bei den Mitbewerbern auf der Bühne? Oftmals waren es Vorgaben von Vorgesetzten, die aber ebenfalls eher nach diesen Kriterien Speaker gewünscht haben. Natürlich habe auch ich im Internet nach Experten*innen recherchiert, habe aber auch hier die Häufigkeit der Präsenz auf Konferenzbühnen als zusätzliches Entscheidungskriterium zugrunde gelegt. Und da beißt sich die Katze in den Schwanz: Gefördert werden danach natürlich immer die eh schon präsenten Speaker.
Mein Tipp: Veranstaltende sollten es sich zum Ziel machen, aktiv danach zu schauen, ob die Themen für ihre Tagungen und Konferenzen durch Frauen übernommen werden können. Es gibt inzwischen viele gute und hilfreiche Portale und Netzwerke (siehe Links am Ende des Beitrags), über die gezielt nach Expertinnen für die Bühne recherchiert werden kann, so dass es in Zeiten der Digitalisierung ein „Ich habe keine Frau zu diesem Thema gefunden“ eigentlich nicht mehr geben darf.
Gleiche Bezahlung für gleiche Bühnen!
Auch das ist ein Thema, das im Zusammenhang mit wenig Frauen auf Bühnen angesprochen werden muss: Das Thema Honorare. Leider ist es auch heute noch weit verbreitet, Speaker – ganz gleich ob männlich oder weiblich – für Ihre Vorträge nicht zu bezahlen. Hier wird gezielt Expertise eingekauft, die Veranstaltenden machen mit den Namen der Speakern Werbung und gezahlt wird z.B. mit Kontakten oder einer Plattform für sich Werbung zu machen.
Hierzu habe ich eine ganz klare Meinung: Es gibt Fälle, da sind Vorträge ohne Honorar durchaus in Ordnung. Zum Beispiel für Kurzvorträge im Rahmen von Messen, die ganz klar als Werbekanal für den/die Referenten*in gesehen werden kann. Aber so bald Speaker aktiv von Veranstaltenden aufgrund ihrer Kompetenz und Erfahrung für Vorträge angefragt und gebucht werden, muss ein Honorar gezahlt werden oder bezahlen Sie Ihre Friseurbesuche mit Kontakten oder gar mit einem Kuchen?
Was die gleiche Bezahlung von Speakern angeht, so nähern wir uns einem „heißen Eisen“. Gerade aus meiner Erfahrung auf Seiten der Veranstaltenden weiß ich, wie groß die Spanne zwischen den Honoraren für ein und dieselbe Veranstaltung sein kann. Da zählen irgendwann Faktoren wie Bekanntheit aus Funk und Fernsehen mehr, als die pure Kompetenz für ein Thema.
Mein Tipp: Wenn Sie schon viel Geld für einen bekannten Keynote-Speaker ausgeben möchten, dann halten Sie doch Ausschau, ob Sie nicht auch eine bekannte Frau gewinnen können für Ihre Veranstaltung. Ansonsten gilt: Fachvorträge müssen bezahlt werden und zwar gleichermaßen für weibliche und männliche Speaker.
Aus Sicht der weiblichen Speaker
Kommen wir nun zu uns selbst, meine Damen. Was hält uns selber davon ab, uns auf der Bühne mit all unserem Wissen und unserer Kompetenz zu präsentieren? Haben wir überhaupt einen Anteil daran, dass es so wenige Frauen auf der Bühne gibt? Ja und nein, sage ich dazu. All das oben beschriebene können wir als Rednerinnen wenig beeinflussen. Aber ein paar Aspekte liegen m.E. doch in unserer Hand.
Zu wenig Sichtbarkeit
„Klappern gehört zum Handwerk“. Das trifft zweifelsohne auch für uns Rednerinnen zu. Wenn wir als Expertinnen für unser Thema wahrgenommen werden müssen, muss man uns auch finden können. Dazu gehört natürlich auch eine Portion Mut, um sich entweder auf den schon erwähnten Speakerinnen-Portalen registrieren zu lassen, sich an eine Redneragentur zu wenden oder selbst aktiv zu werden mit professionellem (Online-)Marketing.
Mein Tipp: Fangen Sie an, sich und Ihre Fähigkeiten zu vermarkten. Dazu bietet sich entweder eine eigene Website an, ein Blog, aber auch die professionelle Darstellung über soziale Netzwerke.
Networking, networking, networking
Was Männer schon seit immer machen, fällt uns Frauen mitunter noch schwer: Netzwerken, Seilschaften bilden oder wie wir es auch nennen wollen. Durch gekonnte Vernetzung schaffen wir Sichtbarkeit und geben gleichzeitig eine Kostprobe unseres Könnens nämlich in persönlichen Gesprächen.
Mein Tipp: Gehen Sie zu passenden Netzwerkveranstaltungen in Ihrer Nähe und vernetzen Sie sich. Beschränken Sie sich dabei nicht nur auf reine Frauennetzwerke, die Sie zwar gut unterstützen können. Aber gerade, wenn Ihr Fachthema kein reines Frauenthema ist, sollten Sie unbedingt auch gemischte Netzwerke für sich auftun und nutzen. Vernetzen Sie sich auch virtuell. Über die sozialen Netzwerke gibt es diverse Portale und Gruppen, denen Sie sich anschließen können und in denen Sie sich als Expertin präsentieren und einbringen können.
Mut für zu große Schuhe
Wir Frauen neigen häufig dazu, erst dann Vortragsanfragen anzunehmen, wenn sie zu 100% unser Fachgebiet betreffen und wir möglichst schon zum Zeitpunkt der Anfrage einen fertigen Vortrag in der Schublade haben. Dabei besteht unsere Kompetenz ja auch darin, unser Fachthema weiterzuentwickeln, von neuen Perspektiven aus zu beleuchten. Oftmals sehen andere auch weitere Kompetenzen in uns – wenn wir ein Fachthema gut darstellen können, ist uns das bestimmt auch für verwandte Fragestellungen möglich.
Mein Tipp: Lernen wir von unseren männlichen Speakerkollegen und wagen uns auch an Themen ran, die wir uns für einen Vortrag erarbeiten müssen. Probieren wir ruhig mal zu große Schuhe aus, um dann festzustellen, dass wir auch diese ausfüllen können.
Und die Moral von der Geschicht’…
Sie sehen, die Frage nach mehr Frauen ist nicht einfach so ohne Beleuchtung verschiedener Seiten zu beantworten. Würde uns bei der Steigerung der Zahl weiblicher Speaker eine Quote helfen? Ich glaube – zum heutigen Zeitpunkt – nicht. Ich glaube vielmehr, dass Veranstaltende sich ihrer Verantwortung für mehr Diversität bei ihren Veranstaltungen bewusst werden müssen und dies durch eine wachsamere Öffentlichkeit auch tun werden.
Nichtzuletzt Portale wie 50Prozent und die sozialen Netzwerke sorgen schon heute dafür, dass es einen Fingerzeig auf Veranstaltende gibt, die sich nicht darum kümmern, mehr Frauen für ihre Events zu verpflichten.
Hier z.B. können Sie Rednerinnen finden:
Foto: Olgay Özkan