Am darmstadtium kommt man, wenn man sich mit Nachhaltigkeit im Eventbereich beschäftigt, nicht vorbei. Die 2007 eröffnete Kongress- und Eventdestination hat schon seit Beginn der Planungen ganz auf Nachhaltigkeit gesetzt und wurde inzwischen mehrfach als geprüfte, nachhaltige Location zertifiziert.
Barrierefreiheit bildet für das darmstadtium einen selbstverständlichen Teilbereich der nachhaltigen Ausrichtung, der nicht zuletzt auf Grund gesetzlicher Vorgaben durch die städtischen Einrichtungen und Behindertenbeauftragten eingefordert wird.
Als Beraterinnen für barrierefreie Events und Locations konnten Gudrun Jostes und Kerstin Hoffmann-Wagner sich nun direkt vor Ort ein Bild von der Umsetzung barrierefreier Aspekte im Gebäude machen. In einer sehr offenen und konstruktiven Atmosphäre gaben uns Maraike Schmuck, Projektmanagerin, und Ullrich Kordt, Fachbereichsleiter Technik, einen Einblick, wie das Thema innerhalb des Hauses praktisch umgesetzt wird, wie wichtig fachkundige Partner dabei sind und wo man an Grenzen stößt.
Weg von der Sonderlösung hin zu komfortablen Lösungen für alle
Der Zugang zum darmstadtium ist schon im Außenbereich barrierefrei gestaltet. Ein taktiles Blindenleitsystem im Boden führt Teilnehmer und Besucher zu einem Aufmerksamkeitsfeld direkt am Behinderteneingang. An dem, während der Öffnungszeiten besetzten, Informationsschalter erhalten Besucher weitere Informationen.
Dass das Thema Barrierefreiheit stets im Wandel ist und Vorkehrungen nach neuesten Erkenntnissen getroffen werden, zeigt genau dieser Bereich: in naher Zukunft ist geplant, auf einen separaten Behinderteneingang zu verzichten. Der Haupteingangsbereich soll mit einem automatisch öffnenden Türsystem nachgerüstet werden, was einen Komfortgewinn für alle Besucher bedeutet.
Generell ist das darmstadtium dem Anspruch gefolgt, alle Bereiche des Hauses rollstuhlgerecht erreichbar zu machen – Aufzüge bringen Rollstuhlfahrer in alle Ebenen, ebenso sind im ganzen Haus rollstuhlgerechte Toiletten vorhanden.
Allerdings hat sich hierbei auch gezeigt, dass das theoretische Wissen um Barrierefreiheit in der Praxis mitunter am Bedarf vorbei geht: so weisen die gestalterisch sehr gut in Szene gesetzten Rampen, die sich offen durch das Gebäude ziehen und auch Zwischengeschosse miteinander verbinden, zum Teil, und damit in wenigen Bereichen,eine zu starke Steigung auf und verfügen nicht über durchweg rollstuhlgerechte Handläufe. Die meisten nicht elektronisch betriebenen Rollstuhlfahrer können die zudem sehr langen Rampen teilweise nur mit Assistenz nutzen.
Potenziale zur Barrierefreiheit
Insgesamt ist das Haus mit einem visuellen Leit- und Orientierungssystem ausgestattet – bei der Struktur des Gebäudes und der Vielzahl an Räumen absolut wichtig.
Für seheingeschränkte und blinde Besucher fehlen allerdings taktile Informationen, die eine selbständige Orientierung ermöglichen.
Schaut man sich die Räumlichkeiten an, so merkt man, dass sich die Gebäudeplaner durchaus Gedanken um die Barrierefreiheit gemacht haben. So verfügen nahezu alle Räume über Induktionsschleifen, über die die Besucher mit Hörsystemen die Sprachsignale empfangen können.
Nachgefragt wird dieses System allerdings von den Veranstaltern, die die Räume nutzen, kaum. Dies ist nicht unbedingt in mangelndem Interesse, als vielmehr in einer ausgereifteren Technik der Hörhilfen begründet.
Für Rollstuhlfahrer sind genügend Plätze vorgesehen oder werden bei Bedarf, wie im Ende 2014 fertiggestellten Raum ferrum, durch den Ausbau von Tischreihen geschaffen.
Alles bleibt im Fluss
Barrierefreiheit in einem so großen Gebäude wie dem darmstadtium umzusetzen ist ein Prozess, der im Idealfall ständig im Fluss bleibt und sich ändernden gesetzlichen Vorgaben, aber auch neuer technischer Möglichkeiten anpasst. Das Team des darmstadtiums widmet sich aber nicht nur den baulichen Aspekten der Barrierefreiheit. So wird im Zuge der Schaffung des inklusiven Zugangs im Eingangsbereich auch eine Schulung des Empfangsteams stattfinden. Die Sensibilisierung für die Bedürfnisse aller Besucher und die dadurch entstehende Sicherheit in der Ansprache von Besuchern mit Behinderung ist ebenso wichtig, wie bauliche Anpassungen.
Eine komplette Barrierefreiheit kann man dem darmstadtium nicht durchweg bescheinigen. Hier fehlt das schon in der Gebäudeplanung eingebundene durchgängige Konzept, das die notwendige geschlossene Kette der Zugänglichkeit und Nutzbarkeit für alle beinhaltet. Das Ziel einer barrierefreien Location verliert das darmstadtium dennoch nicht aus dem Auge durch die Umsetzung nutzerorientierter, durchdachter und realistischer Maßnahmen. Dies zeigt sich auch in der jährlich erneuerten Zertifizierung als seniorenfreundlicher Betrieb.
Die Erfahrung, dass ein Zusammenspiel von Experten für Barrierefreiheit, lokalen Behindertenvertretern und dem hausinternen Organisationsteam Vorteile bei der Umsetzung bringt, macht diese Location zu einem Vorreiter bei der barrierefreien Gestaltung. Klar ist auch, dass es hier nicht mehr um die Diskussion über Pflicht oder Kür geht, sondern um die Notwendigkeit der systematischen Umsetzung im Hier und Jetzt.
Autorinnen: K. Hoffmann-Wagner/G. Jostes