Eventcafé mit Katrin Taepke

In meinem EVENTCAFE interviewe ich Menschen aus der Veranstaltungswirtschaft und darüber hinaus, die ihre eigene Sicht auf Nachhaltigkeit, Inklusion oder Kommunikation bei Events mitbringen.

Profilbild von Katrin Taepke. Sie trägt eine schwarze Jacke, darunter ein weißes Shirt. Sie hat dunkle, kinnlange Haare und trägt eine Brille. Sie lächelt in die Kamera und lehnt an einem Treppengeländer aus Stahl.

Heute mit Katrin Taepke

Event-Tech-Expertin und Inhaberin des Blogs MICEstens-digital.de

Im Kern sind wir von der Nachhaltigkeit noch sehr weit weg… Es wird viel darüber geredet und geschrieben, aber es passiert viel zu wenig.

Kerstin Hoffmann-Wagner: Bitte stell Dich kurz vor – wer bist Du und was genau machst Du?

Katrin Taepke: Mein Name ist Katrin Taepke und ich brenne für Events, die Teilnehmende vom Hocker reißen. Damit sie das tun – von den Teilnehmenden bis zum internen Controller – brauchen Eventplaner·innen einen freien Kopf und den ein oder anderen kreativen Hack. Genau dafür erhalten sie Tipps, Tricks und Vorschläge für Tools von mir. Ich habe in den letzten 27 Jahren habe ich super viele unterschiedlichste Messen, Kongresse und Events organisiert. Ganz kleine und ganz große. Eines hatten fast alle gemeinsam: Es wurde unheimlich hektisch, je näher das Event rückte. Doch es geht auch anders. Das habe ich selbst ebenfalls immer wieder erlebt. Mit einer strukturierten Arbeitsweise und ein paar smarten, digitalen Helfern. Und sonst so? Ich arbeite seit 2018 als Beraterin für digitale Event-Tools und effizientes Event-Management. Das heißt, du kannst mich buchen für Beratung, Begleitung, Workshops, Vorträge und vieles mehr. Mehr dazu findest du unter MICEstens-digital.de .

Wie bist Du eigentlich zum Thema Online-Formate und Tools gekommen?

Wie so oft im Leben: Weil ich selbst den Schmerz hatte. Konkret heißt das, dass ich z.B. im Jahr 2010 für eine Agentur eine Teilnehmer-Management-Software gesucht habe. Die Agentur hatte damals keine echte digitale Lösung und plötzlich einen größeren Event-Auftrag erhalten. Mir war als Projektmanagerin damals schnell klar, wenn ich kein Tool finde, dass automatisiert die Anmeldungen verwaltet und Rechnungen verschickt, bin ich bald nicht mehr Projektleiterin, sondern registriere den ganzen Tag die Anmeldungen und manage die Umbuchungen. Als ich mich dann auf die Suche nach dem Tool begab, merkte ich schnell, wie wenig Ratgeber oder Empfehlungen es gab. Genau diese Learnings habe ich irgendwann zusammengefasst und für andere zugänglich gemacht – in Kommentaren, Gastbeiträgen und später auf dem eigenen Blog. Na und zu Online-Formaten kam ich wie wohl die meisten im Frühjahr 2020: Corona schubste mich in die Richtung und durch die thematische Nähe zu den digitalen Tools fiel mir das Thema ehrlich gesagt auch einigermaßen leicht.

Du beschäftigst Dich im Rahmen Deiner Tätigkeit auch mit Nachhaltigkeit für Events. Wo steht die Veranstaltungsbranche Deiner Meinung nach in Sachen Nachhaltigkeit?

Ich schwanke zwischen Hoffnung und Verzweiflung und sehe viele Bemühungen von einzelnen Akteur·innen wie z.B. von dir oder einigen Locations, Veranstalter·innen oder auch in Agenturen. Aber im Kern sind wir von der Nachhaltigkeit noch sehr weit weg. Schau dich mal um, wie viele Events immer noch so geplant werden, dass man nicht mit dem ÖPNV anreisen kann. Oder sieh dir die Events an, die ausschließlich Teilnehmende aus Deutschland einladen und dann an einem Ort stattfinden, der nur per Flugzeug erreichbar ist.

Und dann sehe und erlebe ich Konzerte, auf denen es genauso viel Plastikbecher gibt wie vor 5 Jahren. Der einzige Unterschied: Dieses Jahr ist es als „green Event“ gelabelt. Dabei werden z.B. vor Ort zum Teil ausschließlich alkoholische Getränke angeboten und das bei Temperaturen von mehr als 30 Grad. Wie du weißt, ist Nachhaltigkeit weit mehr, als CO₂-Reduktion und beinhaltet eben auch die Gesundheit und das Wohlbefinden aller Beteiligten.

Kurzum: Es wird viel darüber geredet und geschrieben, aber es passiert viel zu wenig.

Das Argument, dass Online-Formate nachhaltger seien als physische Veranstaltungen vor Ort, hörst Du vermutlich öfter. Ist dem so? Wie lautet Deine Einschätzung dazu?

Ja, das ist die landläufige Meinung und Online-Formate können nachhaltiger sein als physische Veranstaltungen. Aber wie so oft im Leben kommt es auf die Details an. Wer eine internationale Veranstaltung von der Präsenz in ein Online-Format umwandelt, spart ganz sicher sehr viel CO₂ bei der An- und Abreise der Teilnehmenden ein. Jedoch kann das schon wieder ganz anders aussehen, wenn ich ein lokales Event organisiere und dies nun online stattfinden lasse. Schließlich verbrauchen sämtliche IT-Strukturen für ein Online-Event auch enorme Ressourcen. Wenn ich hier viel Aufwand betreibe, hochauflösende Videos- und 3D-Welten produziere und in höchster Qualität aus einem Studio mit energiefressender AV-Technik übertrage, schlägt das in der CO₂-Bilanz auch zu Buche. Und dann sind da noch die Teilnehmenden. Die verbrauchen mit ihren Endgeräten und Internetverbindungen ebenfalls Ressourcen und haben vielleicht keinen grünen Strom im Büro oder Office. Wie du siehst, können Online-Formate durchaus größere Ressourcen verbrauchen als Präsenz-Formate. Es kommt im Detail auf die Umsetzung an.

Genauso wie für physische Events ist es sicher auch möglich, einen CO2-Fußabdruck für einen Online-Event zu erstellen. Welche Faktoren werden dabei berücksichtigt und wie komme ich als Eventplanerin an diese Daten?

Im Kern ist es wie bei einem Präsenz-Event: Du musst alle Bereiche genau analysieren. Denke bei einem Online-Format unter anderem an diese Faktoren oder Bereiche:

  • deine Videokonferenz-Lösung,
  • und/oder einen Streaming-Dienst,
  • sowie die 1:1 VideoSessions,
  • die Internetverbindung aus deinem Studio und/oder den Offices der Referenten,
  • den Einsatz eines AV-Dienstleisters,
  • den Betrieb eines Sendestudio oder einer realen Location,
  • ein digitales Teilnehmermanagement,
  • Hosting deiner Event-Website oder Event-Plattform,
  • den Einsatz von Voting- oder Interaktionstools, oder Chattools,
  • reale Präsente und deren Versand,
  • die Zubereitung und den Versand von Cateringboxen,
  • das Hosting der Aufzeichnungen,
  • möglicherweise die Anreise von Referenten, Moderatoren und Künstler in ein Studio,
  • Rahmenprogramme,
  • Online-Marketing inklusive E-Mail-Marketing
  • und alles, was du sonst noch hinzufügst.

Du kannst das mit CO₂-Rechnern herausfinden oder du beauftragst eine·n Expert·in, der oder die dich beim Prozess professionell begleitet. Gute Anhaltspunkte liefern zum Beispiel:

UBA CO2-Rechner für Veranstaltungen
Klimaaktiv – CO2-Rechner für Veranstaltungen
CO2-Emissionsrechner von InterMedia Solutions
Emissionsrechner für Events von myclimate
Trace – Emissionsrechner für Events jeder Art

Nach meiner Erfahrung stellt sich seit Corona für Veranstaltende zu Beginn ihrer Eventplanung regelmäßig die Frage: Veranstalten wir vor Ort oder virtuell und müssen dies nicht selten auch vor ihren Vorgesetzten verargumentieren. Welche Entscheidungskriterien würdest Du bei einer Entscheidung pro „vor Ort“ und pro „virtuell“ oder vielleicht auch in Kombination von beidem empfehlen?

Ich glaube, wir haben in der Pandemie gelernt, dass sich Wissensvermittlung recht gut in Online-Formate packen lässt. Also, Schulungen, Trainings, informative Webinare und ähnliches eignet sich dafür sehr gut. Wenn es jedoch um das Miteinander, das Networking, das Anfassen und Ausprobieren geht, dann gewinnt das Präsenz-Format.

Eine Kombination von beiden würde ich so umsetzen, dass ich auf eines den Schwerpunkt lege, z.B. auf die Präsenz und mir dann überlege, welches weitere Ziel ich noch erreichen möchte. Veranstaltungen wie die OMR machen es vor und bieten die große Live-Show vor Ort an. Um aber auch die Daheimgebliebenen zu erreichen und vielleicht sogar im nächsten Jahr als Teilnehmende zu gewinnen, gibt es Streamings von den Vorträgen – aber eben nicht von den Partys. Hier sieht man sehr schön, dass die Wissensvermittlung und Reichweiten-Erweiterung online funktioniert, ohne dass die Präsenzveranstaltung darunter leiden würde. Hier versucht auch niemand zwanghaft, die beiden Teilnahmegruppen irgendwie live zusammenzubringen.

Nehmen wir mal an, ich möchte meine Veranstaltung hybrid gestalten, also in Kombination von offline und online Elementen. Auf was muss ich bei der Planung achten, vor allem wenn dabei ich nachhaltige Aspekte berücksichtigen möchte?

Zum einen: Lege fest, was Priorität hat. Entscheide dich für online oder onsite und ergänze dann sinnvoll. Soll deine Veranstaltung nachhaltig sein, solltest du in jedem Bereich sparsam mit Ressourcen umgehen und zugleich einen barrierearmen Zugang für beide Teilnahmegruppen ermöglichen. Das bedeutet, dass die Location vor Ort z.B. für Rollstuhlfahrer zugänglich sein muss und dass deine Plattform über Funktionen wie einstellbare Schriftgrößen, Kontraste, Farbwechsel, leichte Bedienbarkeit verfügt oder auch von Screenreadern vorlesbar sein sollte.

Das Wichtigste jedoch: Versetze dich in die Lage deiner beiden Teilnahmegruppen und biete ihnen ein einzigartiges, aber kein deckungsgleiches Event. Das beste Beispiel dafür ist ein Fußballspiel, dass live im Stadion stattfindet und zugleich im Fernsehen übertragen wird. Niemand schickt dir als Online-Teilnehmenden die Currywurst an den heimischen Fernseher, aber du erhältst Zugang zu Live-Interviews oder Hintergrundinformationen.

Wie finde ich denn die passenden Technikpartner für meine Online-Formate, die möglichst nachhaltig agieren?

Ein guter Anhaltspunkt sind Event-Plattformen, die selbst auf grünen Servern gehostet werden. Das gibt zwar keine Garantie, dass die Daten für das Event dann auch dort liegen, aber das kannst du bei der Angebotseinholung erfragen. Ob eine Seite grün gehostet wird, kannst du u.a. hier einsehen: www.thegreenwebfoundation.org/green-web-check.

Geht es um die AV-Technik, so frage bei deinem Wunsch-Dienstleister nach, was er oder sie tut, um den Ressourcenverbrauch zu senken und ob er oder sie dir energiesparende Bühnenaufbauten inklusive Licht und Ton kalkulieren kann. Das wird oft gar nicht angefragt und von den AV-Anbietern nicht proaktiv angeboten. Warum auch? Denn es wird zunächst einmal gar nicht honoriert. Wenn es dir wichtig ist, frage aktiv danach und stelle auch einen Budgetposten für genau diese Kalkulationen ein.

Zum Schluss ein Blick in die Glaskugel: Du schlägst im Jahr 2033 ein virtuelles Event-Fachmagazin auf. Was wird zum Thema nachhaltige Events wohl darin zu lesen sein?

Wir haben es geschafft und organisieren jetzt klimaneutrale oder gar klimapositive Events. Was anfangs so unmöglich schien wie rauchfreie Gaststätten oder eine Anschnallpflicht in Autos ist heute ganz normal und insgeheim fragen wir uns alle „Wie konnten wir damals nur so kurzsichtig agieren? Nachhaltigkeit ist gar nicht so schwer.“

Vielen Dank, liebe Katrin, für das Interview!

Wenn Sie sich mit Katrin Taepke vernetzen möchten, finden Sie sie unter anderem hier:

Website: www.micestens-digital.de

LinkedIn: Katrin Taepke auf LinkedIn


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Titelgrafik des Newsletters Eventpost. Darauf ist ein Portraitfoto von Kerstin Hoffmann-Wagner zu sehen, die einen lächelnd anschaut, einen roten Pullover trägt und auf einem hellgrünen Sessel sitzt. Der Hintergrund ist in leichten Grüntönen gehalten und weichgezeichnet. Im Bild steht der Text "Meine Gedanken und Impulse zu zukunftsgerichteten Eventkonzepten". Rechts in der Grafik ist mit großen Buchstaben der Schriftzug Eventpost zu sehen und rechts darüber das Logo von Kerstin Hoffmann-Wagner.

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